Arbeiten im Grenzbereich. Prozessoptimierung in Zusammenarbeit mit dem Rohstoffhersteller.

Es ist üblich, sich vor Vergabe eines Auftrags von der Leistungs­fähigkeit und dem Erfahrungs­schatz des Lieferanten zu überzeugen. Im Idealfall erfolgt die Auswahl des Lieferanten in Verbindung mit einem Audit. Danach kann der Abnehmer mit einem guten Gefühl davon ausgehen, dass am Ende ein anforderungsgerechtes Produkt geliefert wird. Was aber, wenn die Anforderungen an das Produkt in einem Grenzbereich liegen?

Per se scheiden eine ganze Reihe von Spritzgiessern aus, so dass die Auswahl vorzugsweise auf die Verarbeiter fällt, bei denen Konstruktion, Werkzeugbau und Produktion unter einem Dach sind. Werden kleine und mittlere Bedarfe betrachtet, sind die Produzenten von Grossserien aus dem Rennen. Übrig bleiben mittelständische Spritzgussbetriebe in der Grössenordnung von 200 Mitarbeitern. In diesem Marktsegment haben wir es mit Unternehmen zu tun, die sich im Werkzeugbau und Spritzguss durch eine hohe Fertigungs­kompetenz und vielseitige Erfahrung auszeichnen.

Sie besitzen eine gute Ausgangsbasis zur Herstellung von Produkten mit besonderen Anforderungen in extremen Einsatzbereichen. Aber da braucht es mehr als nur ein Produkt, und erst die Zusammenarbeit von Rohstoffhersteller, Formenbau, Spritzgussverarbeitung mit dem Kunden und die Optimierung aller Einflussgrössen führt zum gewünschten Ergebnis. Dieses Vorgehen hat sich über Jahrzehnte bewährt.

Die Gebrauchstüchtigkeit eines Kunststoffteils wird allgemein von den Faktoren

  • Gestaltung des Formteils
  • Eigenschaften der Formmasse
  • Verarbeitung der Formmasse

bestimmt. Regeln, die auch für Produkte mit besonders hohen Anforderungen gelten, deren Anwendung und Ausgestaltung jedoch konsequenter zu verfolgen sind.

Am Anfang steht ein qualitativer Informationsaustausch zwischen Abnehmer und Verarbeiter. Ist das geschehen, übernimmt der Verarbeiter und beginnt mit der verfahrens- und werkstoffgerechten Gestaltung des Produkts und der Formkonstruktion. Dazu setzt er seine Anwendungs­techniker und Werkzeugkonstrukteure mit ihrer praktischen Erfahrung ein. Auch kann in dieser Phase ein dritter Partner ins Spiel kommen, die anwendungs­technische Abteilung des Rohstofflieferanten.

Die grossen Rohstoffhersteller sind international aufgestellt und halten dadurch einen weltweiten F&E-Verbund bereit, um die Entwicklung des Produkts in dieser, mit entscheidendsten Phase zu begleiten. Dort liegen Fakten, Zahlen und Daten vor, die benötigt werden, um zu belastbaren Ergebnissen zu kommen und diese zu untermauern. In der Kombination von gefestigter Sachkunde auf der Seite des Verarbeiters und mit der Weitsicht auf der Seite des Rohstoffherstellers erhalten vorgenannte Faktoren substanzielle Bedeutung.

Von der Bauteilauslegung mittels FEM-Berechnung über Verarbeitungs­simulation des Spritzgussprozesses bis hin zum Zugriff auf voll ausgestattete Labors zur Durchführung von Analysen und Tests kann alles eingesetzt werden, um das Produkt für den Grenzbereich zu ertüchtigen. Neben den bei den Verarbeitern vorhandenen branchenüblichen Standardtesteinrichtungen, verfügen die grossen Labors der Rohstoffhersteller über Analysemöglichkeiten in den Bereichen DSC, TGA und FTIR. Eine unverzichtbare Hilfestellung, vor allem, wenn spezielle und weltweite Zulassung des Produkts notwendig sind.

Die danach folgenden Zwischenschritte 

  • Bemusterung
  • Fertigung von Nullserien

führt der Verarbeiter in der Regel zusammen mit der Anwendungs­technik des Rohstoffherstellers durch. Der Werkstoffspezialist trifft auf das Team des Verarbeiters, um auch da wieder das Maximale aus dem Prozess zu gewinnen und trotz der Bewegung im Grenzbereich die Produktsicherheit zu stärken.

Oft werden in dieser Phase produktspezifische Prüfverfahren entwickelt und später auch in der Serie zur permanenten Qualitätskontrolle mittels einfacher oder zerstörender Prüfungen eingesetzt.

Mit der in diesem Abschnitt gewonnen Erkenntnis kommt der Verarbeiter in einen stabilen Prozess für die Serienfertigung.

Für einen breit aufgestellten Kunststoffverarbeiter ist es nicht immer leicht, zu entscheiden, ob und wann externe Unterstützung durch die anwendungs­technischen Abteilungen der Rohstoffhersteller sinnvoll ist. Daher richtet sich dieser Aufsatz besonders an die Abnehmer, die als einzige in der Lage sind, die Einsatzsituation ihrer Produkte zuverlässig einzuschätzen. Nur in der Abstimmung zwischen Verarbeiter und Abnehmer können die technische Probleme herausgearbeitet werden. Die Entscheidung, ob und wie weit der Rohstoffhersteller eingebunden wird, ist dann eine gemeinsame.

Ziel ist Nachhaltigkeit, schnelle Markteinführung und die praktikable Lösung für die gestellte Herausforderung. Gestaltet sich die Zusammenarbeit aller Beteiligten wie beschrieben, wird das Ziel erreicht und im Idealfall sogar übertroffen.